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25. Januar 2008. Rezensionen: Reise & Freizeit - Indien Indien nordwärts

Reisereportagen von Rüdiger Siebert

Indien ist zu groß und zu faszinierend, um es "auf die Schnelle" abzuhandeln, egal, ob als Reisender oder als Autor. So tut der Journalist Rüdiger Siebert gut daran, seine Reportagen über Indien in einer kleinen Reihe zu veröffentlichen, die seiner Reiseroute entsprechend aufgebaut ist.

Im ersten Band folgt Siebert den buddhistischen Spuren in Indien und Süd-Nepal, dort, wo der historische Buddha den Grundstein zu seiner Lehre gelegt hat, zu der sich in Indien nur noch wenige bekennen. Beim zweiten Band nimmt der Autor seine Leser mit auf eine Reise, die am Golf von Bengalen begann und sich die Ostküste entlang bis zur Südspitze des Subkontinents hinzog. Dort startet der dritte Band, der die Reise die Westküste hinauf nach Norden nachzeichnet.

Es ist eine höchst interessante Route, denn an Indiens Westküste ist nicht nur Weltgeschichte zu lokalisieren, die Region ist auch ein Ort der frühen Globalisierung, als arabische und jüdische Kaufleute lange vor den ersten europäischen Kolonialisten die "Pfefferküste" durch ihren Handel mit dem Mittelmeer verbanden.

Es gibt also viel zu erkunden und Siebert folgt seinem bewährten Muster: Er erzählt in seiner lebendigen und gleichzeitig unaufdringlichen Art von seinen Erlebnissen und stellt die eigenen Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang.

Am Anfang der Reise steht der Bundesstaat Kerala. Kerala ist etwas anders als der Rest von Indien mit einer relativ starken kommunistischen Partei (CPI/M) und einer relativ großen Zahl von Christen. Siebert besucht kommunistische Aktivisten ebenso wie christliche Schulen, hört sich die jeweiligen Weltanschauungen an und bekommt bei näherer Bekanntschaft mit, dass jenseits der Ideologien Generationsprobleme aufbrechen, für die es keine Rezepte gibt.

In die gesellschaftlichen Schilderungen mischen sich stimmungsvolle Landschaftsbeschreibungen und historische Exkurse; Indien hat viel zu bieten; ebenso der Autor mit seinem Wissen. Die Südwestküste Indiens war für Eroberer aller Couleur schon immer der begehrteste Landesteil, nicht nur wegen seiner strategischen Lage, sondern auch wegen seiner Reichtümer.

Noch widersprüchlicher als Kerala ist Karnataka, die nächste Station. "Globalisierung und Weltkulturerbe" lautet das entsprechende Kapitel. Die Hauptstadt von Karnataka ist Bangalore, das berühmte indische "Silicon Valley". Nach den Forts und Bollwerken an der Westküste, die den Hauch der Jahrhunderte atmen, erlebte der Autor hier die moderne Variante des Gigantismus: "Burgenartig ragt eine phantasievolle Mischung aus Disneyland und Neuschwanstein über den Verkehrsstau: Kemp Fort, das Einkaufszentrum des 21. Jahrhunderts, mit dem Schlachtruf 'Discover the world's ultimate shopping fantasy!'"

In Bangalore mit seiner prosperierenden IT-Branche steckt mehr Geld als sonstwo in Indien; nirgendwo gibt es so viele Milliardäre im Land. Aber selbst in hier sind die Zeugnisse der großen Geschichte nicht weit weg. Nördlich der Metropole liegen die Ruinen von Vijayanagara, der "Stadt des Sieges" und Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Hier hatte das letzte große Hindu-Königreich sein Zentrum, bevor islamische Eroberer auch den Süden Indiens unterwarfen und der "Stadt des Sieges" ihre Bedeutung raubten. Selten liest man Reisereportagen mit so vielen spannenden Informationen.

Und so geht es weiter nach Norden über Goa, wo noch immer alte Hippie-Herrlichkeit und moderne Touristen-Arroganz nah beieinander liegen. Aber auch Goa hat Geschichte und Kultur, auch wenn man etwas näher hinschauen muss, um sie jenseits der touristischen Infrastruktur zu entdecken, denn Engländer, Russen und andere Zeitgenossen auf der Suche nach der Wärme haben die ehemalige portugiesische Kolonie fest im Griff. Es folgt Maharashtra mit seiner Metropole Mumbai, dem Zentrum der Bollywood-Industrie. Auch hier hat Rüdiger Siebert einige Überraschungen parat, denn er führt seine Leser nach Ratnagiri im Süden des Bundesstaates, wohin der letzte burmesische König Thibaw verbannt wurde. Beide Länder waren am Ende des 19. Jahrhunderts Teil der britischen Kronkolonie, und so kann eine Indienreise auch Nachhilfe in Sachen Burma geben. Natürlich kommt auch die alte Maharadscha-Herrlichkeit nicht zu kurz. Schließlich endet die Reise in Gujarat, der Heimat von Mahatma Gandhi, dem Unsterblichen.

Zu Beginn erläutert der Autor, seine Bücher seien "die vielschichtigen und keineswegs einfachen Antworten auf die Frage, warum ich immer wieder nach Indien reise – und warum das stets aufs Neue ein aufregendes Unternehmen ist." Am Ende der Lektüre spüren das auch die Leser.

 

 

(Der Beitrag ist Bestandteil der in einer Kooperation des Südasien-Informationsnetz mit der südostasien-Informationsstelle am Asienhaus Essen erschienen Ausgabe der Zeitschrift südostasien 4/2007.)

 

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Südasien und Südostasien .

Quellen

Siebert, Rüdiger: Indien nordwärts. Von Kerala bis Gujarat. Reisereportagen, Unkel: Horlemann, 2007. 256 S., ISBN 978-3-89502-233-3. € 14,90.

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